News - Beitrag
Wie Ökolandbau dazu beitragen wird Kasachstan zur „asiatischen Schweiz“ zu machen
Vom 13. bis 16. Februar fand in Nürnberg die Biofach 2019 statt. Auf Einladung des APD-Projekts besuchten die Vertreter der Bio-Produzenten Verbands Kasachstans die Fachmesse. Vor Ort war auch der Forbes Journalisten.
Nachhaltige Entwicklung
Der "Deutsch-Kasachische agrarpolitische Dialog" ist ein Gemeinschaftsprojekt der Landwirtschaftsministerien von Kasachstan und Deutschland, dessen operativer Partner in Kasachstan das nationale agrarwissenschaftliche Ausbildungszentrum ist. Ziel der Kooperation ist die Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit in den Agrarsektoren Deutschlands und Kasachstans. Aktuelle Themen werden gemeinsam von den landwirtschaftlichen Abteilungen der beiden Länder festgelegt, wobei die ökologische Landwirtschaft eine wichtige Rolle spielt.
Der Projektleiter, Jörg Dinkelaker sagte, dass das deutsche Landwirtschaftsministerium ein Interesse daran hat, die ökologische Landwirtschaft in der ganzen Welt zu unterstützen. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter die im Jahr 2000 von den UN-Mitgliedstaaten beschlossen Ziele für nachhaltige Entwicklung und die Unterstützung ländlicher Räume. Die ökologische Produktion ist auch eines der Instrumente zur Anpassung an den Klimawandel auf der Erde und ein Weg zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. In Deutschland selbst wächst sowohl die Produktion als auch der Bedarf an ökologischen Erzeugnissen. Der Anteil der ökologischen Produktion am Gesamtvolumen der landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Deutschland liegt heutzutage bei etwa 10%, und steigt jedes Jahr um weitere 1%. Außerdem hat der Bio-Markt in Deutschland einen jährlichen Umsatz von 10 Milliarden Euro erreicht. Die Nachfrage steigt jedoch schneller als die Produktion und Kasachstan könnte ein wichtiger Lieferant für ökologische Erzeugnisse werden.
„Für Kasachstan ist die Produktion ökologischer Erzeugnisse eine Möglichkeit, die Landwirtschaft zu diversifizieren.“ sagte Jörg Dinkelaker. „Die Entwicklung in diese Richtung wird die gesamte Branche stabilisieren und sich positiv auf die gesamte Wirtschaft auswirken. Die Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen unseren Ministerien spiegelt die Nähe der Positionen zu diesem Thema wider. Und diese Reise zur Ausstellung „Biofach-2019“ mit 2300 Unternehmen ist eine Gelegenheit, die Trends zu sehen und die notwendigen Maßnahmen zu bestimmen, um die Prozesse in Ihrem Land zu unterstützen. Unsere Aufgabe dabei ist es, möglichst viele Menschen, Landwirte und Verarbeiter über die Möglichkeiten, die der Öko-Produktionssektor bietet, zu informieren.“
Biologische Landwirtschaft als „Springerzug“
Die wichtigsten kasachischen Produzenten von Bioprodukten befinden sich heute in Kostanay und in Nordkasachstan, sowie im Süden des Landes. Die Gesamtackerfläche, die für Bio-Produkte zertifiziert sind, belief sich Ende 2017 auf 277 Tausend Hektar. Im Jahr 2018 stieg diese leicht an und näherte sich der 300 Tausend Hektar Marke. Etwa 70 ökologische Produzenten sind zurzeit in Kasachstan und produzieren 19 verschiedene Erzeugnisse, wobei das Hauptvolumen Getreide und Ölsaaten ausmacht.
Laut Yerbol Yeseneyev, Direktor der Abteilung für Agrar - und Lebensmittelindustrie des NUK Atameken in Kasachstan, ist die Situation der Landwirte zurzeit nicht so einfach. Getreide als wichtigstes landwirtschaftliches Exportprodukt erlitt einen Qualitätsverlust und wurde daher von vielen Ländern nicht gekauft. Darüber hinaus steigen die Transportkosten jährlich, was die Rentabilität der traditionellen landwirtschaftlichen Produktion verringert. Es ist sehr schwierig, unter diesen Bedingungen zu konkurrieren.
„Eine neue Nische, die unseren Landwirten großartige Perspektiven eröffnet, ist die ökologische Produktion.“ sagte Yerbol Yeseneev. „Diese Richtung der Diversifizierung ist gut, weil sie keine speziellen Investitionen benötigt. Denn um beispielsweise auf neue, am Markt nachgefragte Kulturen umzustellen, sind Investitionen in Spezialausrüstung, Lagertanks, Saatgut usw. erforderlich. Die meisten unserer Landwirte können sich solche Ausgaben im Moment nicht leisten. Bei der Umstellung auf Bio ist dies nicht notwendig. Daher kann ich eine solche Entscheidung als „Springerzug“ für einen kasachischen Landwirt bezeichnen. Das heißt, mit derselben Technologie kann der Landwirt auf demselben Land fast doppelt so viel verdienen. De facto produzieren wir schon immer Bio-Produkte. Wenn wir die Situation mit China vergleichen, nutzen wir 80-mal weniger Agrarchemie! Unsere Landwirte brauchen also nur eines, zertifiziert zu werden und den Status eines Bio-Produzenten zu erlangen.“
Ein zehnfaches Wachstum
Die Schaffung einer eigenen Zertifizierungsstelle ist ein zentrales Thema für die Entwicklung des ökologischen Landbaus in Kasachstan. Dazu muss noch ein Labor eröffnet werden, in dem Produkte auf nicht erlaubte Stoffe untersuchen zu können. Solange diese Institutionen nicht vorhanden sind, müssen die Landwirte große Summen dafür aufwenden, um ausländische Spezialisten einzuladen und Proben an ausländische Laboratorien zu schicken. Ein großer Kostenfaktor.
Während der Ausstellung traf sich der Leiter der Union Bio-Produzenten in Kasachstan und Direktor des NUK Atameken, Arsen Kerimbekov, mit Vertretern europäischer Unternehmen, wie Control Union, EKOagros, Ecoglobe und vielen anderen, die an der Zertifizierung von Bio-Produkten beteiligt sind. Das Ziel ist es, einen Partner zu finden, mit dem dieses Projekt umgesetzt werden kann.
„Im Moment ist die Zertifizierung für Kasachstan teuer.“ erklärte Arsen Kerimbekov. „Viele Landwirte möchten sich mit der Produktion von Bio-Lebensmitteln beschäftigen, können es sich aber nicht leisten. Insgesamt 15 Stellen sind von der EU für die Zertifizierung von kasachischen Bio-Produzenten zugelassen. Die nächstgelegene befindet sich in Kiew. Heute sind 90% unserer biologischen Flächen von ukrainischen Partnern zertifiziert. Aber wir brauchen unseren eigenen Zertifizierer. Auf kurze Sicht können wir die Flächen der ökologischen Produktion um ein Vielfaches erhöhen. Wir glauben, dass wir bis zu 3 Millionen Hektar Ackerland unter Bio-Produktion haben können. Darüber hinaus möchten wir das Recht erhalten, die Nachbarstaaten zu zertifizieren, die für die Zusammenarbeit von Astana aus geeignet sind. Dies wären Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan sowie die Grenzregionen vom Russland.“
Die Schaffung einer eigenen Zertifizierungsstelle und eines eigenen Labors in Kasachstan ist auch eine Möglichkeit zur Reduzierung der Preise von Bio-Produkten auf dem heimischen Markt. Wenn die jährliche Zertifizierung für kasachische Landwirte 3-4 Tausend Euro kostet (und nicht wie heute Zehntausende), dann werden Bio-Lebensmittel selbst nur 15-20% teurer sein als traditionelle landwirtschaftliche Produkte, sind sich die Experten sicher.
„Bisher gibt es auf dem heimischen Markt keinen echten, nach europäischen Standard zertifizierten Erzeugnisse“ sagte Arsen Kerimbekov. „Ja, es gibt viele Produkte in den Regalen mit den Zeichen "Bio", "Eco" und so weiter. Aber das ist nichts anderes als Greenwashing, in der Welt des Marketings gibt es solchen Begriff. Dies ist in der Tat Verbraucherbetrug, wenn gewöhnliche Produkte als „umweltfreundlich“ bezeichnet werden.“
Die Experten weisen auf ein weiteren wichtigen Vorteil für die entwicklung der Bio-Erzeugnisse in Kasachstan hin, die Verbesserung des allgemeinen Investitionsklimas im Agrarsektor. Die Tatsache ist, dass globale Entscheidungsträger im Bio-Sektor beteiligt sind. Wenn Kasachstan der Entwicklung dieser Richtung Priorität einräumt, ist das ein Signal an die Investoren, dass sich der Agrarsektor von Kasachstan in die richtige Richtung bewegt und für Investitionen bereit ist.
Hohe Preise für exklusive Produkte
Eine der Hauptaufgaben der Union der Bio-Produzenten in Kasachstan ist es auch, eine nationale Marke für umweltfreundliche Produkte, „Qazaq organic food“, zu schaffen und einen vertrauenswürdigen Ruf aufzubauen. Das Logo wurde bereits entwickelt und genehmigt.
Eines der ältesten Unternehmen in Kasachstan, welches im Bereich der Bio-Produktion tätig ist, ist die Dikanshi GmbH aus Petropavlovsk. Der Direktor, Dmitry Pampur, nahm ebenfalls an der Ausstellung Biofach-2019 teil.
Heute sät Dikanshi auf dem eigenen Ackerland und arbeitet mit einer Reihe von Partnern zusammen. Die Gesamtfläche der nach europäischen Standards zertifizierten Fläche betrug in 2018 etwa 20 Tausend Hektar. Das Konzept ist einfach, sein Unternehmen übernimmt die Beratung, unterstützt bei der Zertifizierung, stellt Saatgut und Technologie zur Verfügung und kauft die Ernte der Partner auf. Dadurch lassen sich größere Lieferungen bilden, was die Lieferkosten reduziert und es einfacher macht an den Großhandel zu verkaufen. Dabei werden verschiedene Getreide, Futtermittel, Ölsaaten und Hülsenfrüchte, als Teil der im Ökolandbau wichtigen Fruchtfolge, angebaut.
„Für Kasachstan ist Bio die wichtigste Richtung.“ teilt Dmitry Pampur seine Meinung mit. „Sogar Russland ist nicht so interessant wie Kasachstan. Die Tatsache ist, dass wir keinen Zugang zu den Weltmeeren haben und so von großen Märkten abgeschirmt sind. Und unser Ausweg ist es die „asiatische Schweiz“ zu werden. Das heißt, ein exklusives, teures Produkt herzustellen, welches sich lohnt weltweit zu liefern.“
Sergey Buyanov
Forbes. kz
Quelle: